Kölner Textilkunst: Wenn Mode zur Kunstform wird

Kölner Textilkunst: Wenn Mode zur Kunstform wird

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Die Modehighlights 2023 in Dortmund – Ein kreativer Rückblick

In der Domstadt Köln verschwimmen die Grenzen zwischen Mode und Kunst zunehmend. Eine wachsende Szene von Textilkünstlern, experimentellen Modedesignern und interdisziplinären Kreativen gestaltet Werke, die sowohl auf dem Laufsteg als auch in Galerien und Museen zu Hause sind. Diese Entwicklung hat Köln zu einem bedeutenden Zentrum für Textilkunst in Deutschland gemacht. Der vorliegende Artikel beleuchtet die faszinierende Welt der Kölner Textilkunst, ihre wichtigsten Vertreter und die Institutionen, die diese besondere Kunstform fördern.

Die Tradition trifft Innovation: Historische Wurzeln der Kölner Textilkunst

Die textile Tradition Kölns reicht weit zurück und bildet das Fundament für die heutige vibrierende Szene der Textilkunst in der Stadt.

Vom mittelalterlichen Textilhandel zur künstlerischen Avantgarde

Köln war bereits im Mittelalter ein bedeutendes Zentrum des Textilhandels und der Textilproduktion. Die Weberzunft gehörte zu den einflussreichsten Handwerksgilden der Stadt und prägte das wirtschaftliche Leben über Jahrhunderte. Diese handwerkliche Tradition findet heute ihr Echo in der Arbeit zeitgenössischer Textilkünstler, die traditionelle Techniken mit innovativen Ansätzen verbinden.

Die Brücke zwischen historischem Handwerk und zeitgenössischer Kunst schlägt das Kölnische Stadtmuseum mit seiner permanenten Ausstellung “Fäden der Zeit”, die die Entwicklung der Textilkunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart dokumentiert. Besonders beeindruckend sind die erhaltenen Seidenwebereien aus dem 15. Jahrhundert, die bereits damals nicht nur funktionale, sondern auch ästhetische Ansprüche erfüllten.

Die Einflüsse der Kölner Werkschulen

Einen wichtigen Impuls für die Entwicklung der Textilkunst in Köln gaben die 1926 gegründeten Kölner Werkschulen, die in der Tradition des Bauhauses standen und Handwerk, Kunst und Design verbanden. Unter der Leitung von Richard Riemerschmid entstand eine progressive Textilklasse, die experimentelle Ansätze förderte und die Grundlage für die spätere Entwicklung legte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte die neugegründete Fachhochschule für Kunst und Design an diese Tradition an und etablierte einen Studiengang für Textildesign, der bis heute zu den renommiertesten in Deutschland zählt.

Der Wiederaufbau als kreative Phase

Die Nachkriegszeit war durch Materialmangel geprägt, der paradoxerweise zu kreativen Höchstleistungen führte. Textilkünstlerinnen wie Inge Huber und Marianne Grimmenstein-Exner entwickelten aus der Not heraus innovative Techniken der Materialverarbeitung und schufen mit einfachsten Mitteln beeindruckende Werke, die heute als Pionierarbeiten der deutschen Textilkunst gelten.

Zeitgenössische Positionen: Die führenden Textilkünstler Kölns

Die heutige Szene der Kölner Textilkunst ist geprägt von Vielfalt und Experimentierfreude. Hier einige der wichtigsten Vertreter:

Claudia Fischer-Appelt: Textile Architekturen

Claudia Fischer-Appelt hat sich mit ihren raumgreifenden textilen Installationen international einen Namen gemacht. Ihre Werke, die oft aus hauchdünnen, transparenten Stoffen bestehen, schaffen ephemere Architekturen, die sich mit Licht und Luftströmungen verändern.

“Mich interessiert der Zwischenraum”, erklärt die Künstlerin. “Der Moment, in dem ein zweidimensionales Material dreidimensional wird und Räume definiert, ohne sie zu verschließen.” Ihre Installation “Membran” im Kölner Museum für Angewandte Kunst bestand aus 200 Metern Seidengaze, die den Ausstellungsraum in ein labyrinthisches Gewebe verwandelte, durch das die Besucher navigieren mussten.

Besonders charakteristisch für Fischer-Appelts Arbeit ist die Verbindung von Haute Couture-Techniken mit architektonischem Denken. Sie arbeitet oft mit plissierten oder gefalteten Materialien, die trotz ihrer Leichtigkeit erstaunliche strukturelle Stabilität entwickeln.

Marcus Schmitz: Textile Skulpturen zwischen Mode und Kunst

Der ausgebildete Modedesigner Marcus Schmitz hat sich von der funktionalen Mode gelöst und erschafft textile Skulpturen, die dennoch einen Bezug zum menschlichen Körper bewahren. Seine Werke sind oft von organischen Formen inspiriert und kombinieren ungewöhnliche Materialien wie industrielle Filze, Hightech-Fasern und traditionelle Handwebstoffe.

In seiner Werkstatt im Kölner Agnesviertel entstehen Objekte, die sowohl als autonome Kunstwerke funktionieren als auch in konzeptionellen Modeschauen präsentiert werden. “Die Kategorisierung in Mode oder Kunst interessiert mich nicht”, sagt Schmitz. “Mich interessiert die Transformation von Material und Form und wie sich dadurch Bedeutungen verändern.”

Seine Serie “Körperhüllen” wurde sowohl auf der Art Cologne als auch auf der Fashion Week in Berlin gezeigt – ein Beispiel für die zunehmende Durchlässigkeit zwischen Kunst- und Modewelt.

Das Kollektiv “Faden X”: Interdisziplinäre Textilexperimente

Das 2018 gegründete Kollektiv “Faden X” vereint fünf Textilkünstlerinnen mit unterschiedlichen Hintergründen – von Modedesign über Bildende Kunst bis zu Material-Engineering. In ihrem gemeinsamen Studio im Kölner Stadtteil Ehrenfeld experimentieren sie mit ungewöhnlichen Materialien und Techniken.

Zu ihren aufsehenerregenden Projekten gehört “Bacterial Couture”, eine Kollektion aus bakteriell gezüchteten Zellulosefasern, die komplett biologisch abbaubar sind und durch Zugabe von natürlichen Pigmenten während des Wachstumsprozesses gefärbt werden.

“Wir verstehen unsere Arbeit als Forschung an der Schnittstelle von Kunst, Design und Wissenschaft”, erklärt Kollektivmitglied Jana Weber. “Die Frage, wie wir in Zukunft mit Textilien umgehen werden, treibt uns an – ökologisch, ästhetisch und gesellschaftlich.”

Workshops und Wissenstransfer

Neben ihrer künstlerischen Arbeit bietet “Faden X” regelmäßig Workshops für verschiedene Zielgruppen an – von Kindern bis zu professionellen Designern. “Wissenstransfer ist ein wesentlicher Teil unserer Arbeit”, betont Weber. “Wir wollen Menschen dazu bringen, Textilien neu zu denken und verantwortungsbewusster mit diesen Materialien umzugehen.”

Die Workshops decken traditionelle Techniken wie Weben und Färben ebenso ab wie experimentelle Ansätze zur Entwicklung neuartiger Biomaterialien.

Theo Brandmüller: Textile Kunst im öffentlichen Raum

Der 1955 geborene Theo Brandmüller hat sich auf großformatige textile Installationen für den öffentlichen Raum spezialisiert. Seine monumentalen Arbeiten sind an mehreren Standorten in Köln zu sehen, darunter die zwölf Meter hohe “Fadenspindel” vor dem MediaPark und die textile Fassadengestaltung des renovierten Hansahochhauses.

Brandmüller verbindet traditionelle Webtechniken mit industriellen Materialien wie wetterfesten Kunststofffasern, Edelstahlfilament und optischen Fasern. Seine Werke reagieren oft auf Umwelteinflüsse wie Wind, Licht oder Feuchtigkeit und verändern dadurch kontinuierlich ihr Erscheinungsbild.

“Textile Strukturen sind nie statisch”, erklärt der Künstler. “Sie bewegen sich, verändern sich mit den Elementen und der Zeit – genau diese Lebendigkeit interessiert mich im Kontrast zur oft starren Architektur des urbanen Raums.”

Institutionen und Ausbildung: Die Förderung textiler Kunst in Köln

Köln verfügt über mehrere Institutionen, die zur Blüte der textilen Kunst in der Stadt beitragen und sowohl Ausbildungsmöglichkeiten als auch Ausstellungsplattformen bieten.

Die Textilklasse der Kunsthochschule für Medien

Die Kunsthochschule für Medien (KHM) hat 2015 eine Textilklasse eingerichtet, die unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Megyeri steht und einen besonderen Fokus auf die Verbindung von traditionellen textilen Techniken mit neuen Technologien legt.

“Wir verstehen Textilien als ein Medium mit enormem Potenzial für die Kunst des 21. Jahrhunderts”, erklärt Megyeri. “Von Smart Textiles, die mit Sensoren und Aktoren ausgestattet sind, bis hin zu biobasierten Materialien, die auf Umweltreize reagieren – die Möglichkeiten sind enorm und noch lange nicht ausgeschöpft.”

Die Studierenden arbeiten in interdisziplinären Projekten, die oft in Kooperation mit dem nahegelegenen Textiltechnikum oder Unternehmen aus der Region durchgeführt werden. Die Abschlussarbeiten werden jährlich in einer vielbeachteten Ausstellung präsentiert, die zu den Highlights des Kölner Kunstkalenders zählt.

Das Museum für Angewandte Kunst und seine Textilsammlung

Das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) beherbergt eine bedeutende Sammlung historischer und zeitgenössischer Textilkunst. Die Kuratorin für Textilien, Dr. Petra Schmidt, hat in den letzten Jahren mehrere wegweisende Ausstellungen konzipiert, die den Dialog zwischen historischen Textilien und zeitgenössischen Positionen fördern.

Besonders die Reihe “Textile Dialoge”, die seit 2019 läuft, hat internationale Aufmerksamkeit erregt. In dieser Reihe werden jeweils ein historisches Textil aus der Sammlung und eine zeitgenössische Position gegenübergestellt, um Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklung textiler Kunst sichtbar zu machen.

Die Sonderausstellung “Embodied Textiles”

Die 2024 gezeigte Ausstellung “Embodied Textiles” widmete sich dem Verhältnis von Textil und Körper und zeigte Arbeiten von 15 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, darunter mehrere aus der Kölner Szene. Die Ausstellung thematisierte, wie Textilien als zweite Haut, als sozialer Marker oder als Träger kultureller Codes funktionieren und verband künstlerische mit anthropologischen und soziologischen Perspektiven.

Das Textiltechnikum Köln: Brücke zwischen Handwerk und Kunst

Das 2010 gegründete Textiltechnikum im Stadtteil Deutz versteht sich als Experimentierfeld und Wissenszentrum rund um textile Techniken und Materialien. Die Einrichtung verfügt über historische Webstühle ebenso wie über modernste digitale Strickmaschinen und 3D-Drucker für flexible Materialien.

“Wir wollen die gesamte Bandbreite textiler Produktion abbilden – vom traditionellen Handwerk bis zur digitalen Fertigung”, erklärt Leiterin Monika Gause. Das Textiltechnikum steht sowohl Künstlern als auch Designern und Handwerkern offen und bietet neben technischer Infrastruktur auch Beratung und Workshops an.

Besonders der jährliche “Textile Innovation Day” hat sich als wichtige Plattform für den Austausch zwischen Handwerk, Design, Kunst und Industrie etabliert. Hier werden neueste Entwicklungen vorgestellt und Kooperationen angebahnt.

Fazit: Köln als Zentrum textiler Innovation

Die Kölner Textilkunstszene zeichnet sich durch ihre Vielfalt, ihre Experimentierfreude und ihre Offenheit für interdisziplinäre Ansätze aus. Von traditionellen Techniken bis zu zukunftsweisenden Materialinnovationen, von konzeptueller Kunst bis zu angewandtem Design – die Bandbreite ist beeindruckend und spiegelt die Vitalität dieses Mediums wider.

Die Stadt bietet mit ihren Ausbildungsinstitutionen, Museen, Galerien und alternativen Projekträumen ein fruchtbares Umfeld für textile Innovation. Die enge Vernetzung von Kunst, Handwerk, Design und Wissenschaft schafft Synergien und fördert den kreativen Austausch.

Für Kunstinteressierte bietet die Kölner Textilkunstszene zahlreiche Möglichkeiten der Begegnung – von Ausstellungen in etablierten Institutionen über partizipative Projekte bis hin zu temporären Interventionen im öffentlichen Raum. Die Auseinandersetzung mit textiler Kunst eröffnet neue Perspektiven auf ein Material, das uns alltäglich umgibt, dessen künstlerisches Potenzial jedoch oft unterschätzt wird.

Besuchen Sie die vielfältigen Ausstellungen, Ateliers und Projekte der Kölner Textilkunstszene und entdecken Sie die faszinierende Welt zwischen Mode und Kunst, zwischen Handwerk und Konzept, zwischen Tradition und Innovation!